Samstag, 19. Mai 2012

Bericht vom Rennsteig-Supermarathon am 12.5.2012

Kurzinfo:
72,7 km entlang des Rennsteigs, ca. 1500 hm, konnte meine erhoffte Zielzeit von 6:45 Std. um 45 min unterbieten dank ruhiger Anfangsphase. Nettozeit 6:00:10 Std., Platz 28 von 2499 Finishern (Platz 5 AK30) - glücklich!!

Bericht:
Nach dem Halbmarathon 2007 (meinem zweiten Lauf überhaupt) und dem Marathon 2008-2011 auf dem Rennsteig ist es nun an der Zeit, mal etwas Neues zu probieren - den 72,7 km langen Supermarathon von Eisenach nach Schmiedefeld!
Obwohl dies nach Brockenchallenge und Harzquerung bereits mein dritter Ultra dieses Jahr ist, so ist der Rennsteig doch immer etwas ganz Besonderes. Es ist dieses symbolträchtige Verlassen der Stadt, dieses Eintauchen in den Wald (den man 72 km nicht verlässt), dieses Bezwingen der höchsten Gipfel (Inselsberg + Gr. Beerberg), dieses riesige Feld nicht ganz alltäglicher Ultraläufer bei einem Wettkampf, der über die letzten 40 Jahre wie ein Fels in der Brandung stand. Es ist eine tiefe Freude, Teil des Rennsteiglaufs sein zu können.
Im Vorfeld kann man sich natürlich ziemlich verrückt machen oder man möchte einfach nur locker ankommen. Die meisten Läufer gehören wohl eher zur zweiten Gruppe, ich dagegen rechne hundert Mal hin und her und stell' mir viele Fragen: Wie viele Höhenmeter sind es wirklich? Defensiv starten oder den kühlen Morgen zum zügigen Laufen nutzen? Was essen und trinken? Welche Durchschnittsgeschwindigkeit auf welchem Streckenabschnitt anstreben?
Meist bleiben allerdings die mühsam erworbenen, theoretischen Erkenntnisse auf den ersten Kilometern meines Laufes liegen, so z.B. bei der Harzquerung vor 14 Tagen. Ich startete zu schnell, musste nach zwei Dritteln der Strecke schon die Reserven zusammenkratzen und war im Ziel sehr erschöpft. Vielleicht kam dieser Warnschuss gerade recht, denn heute werde ich es anders machen. Daher noch ein wenig Rechnerei:
Mein schnellster Rennsteig-Marathon war 2010 in 3:33 Std., das entspräche für 72,7 km ziemlich genau 6 Stunden. Meine Zeit aus der Harzquerung war 4:10 Std. für knapp 50 km, das entspricht -auf 72 km hochgerechnet- ebenfalls exakt 6 Stunden.

Endlich Dieter getroffen am Start in Eisenach


Zu diesen sechs Stunden muss ich nun noch einen "Erschöpfungszuschlag" und einen "Höhenmeterbonus" addieren. Lange Rede, kurzer Sinn, ich strebe eine 6:45 Std. an plus/minus 15 Minuten, je nach Wetter.
Meine Renntaktik diesmal: Endlich mal die Renntaktik einhalten!! :-)
Das heisst für heute, gemächlich starten (es geht die ersten 25 km bis zum Inselsberg nur bergauf) mit einer Pace von ca. 5:20 bis zum Gipfel. Danach das zweite Drittel zügig (ca. 4:30er Pace) und danach noch Kraft haben für den "Endspurt" ab Beerberg.
Glücklicherweise ist es kühl an diesem Morgen auf dem Eisenacher Marktplatz, die Hitze des Vortages hätte heute alle Hoffnungen zunichte gemacht. Die letzte Nacht war leider wenig erholsam, in der Turnhalle brannte die ganze Nacht das hellste Licht, jeder versuchte, seine Augen zu bedecken, dazu viel Bewegung im Raum etc. Naja, ein paar wenige Stunden Schlaf werden es schon gewesen sein. Vermutlich spielt die letzte Nacht gar keine so große Rolle mehr, wir Laufmenschen sind so fixiert, so gut vorbereitet, so "heiß", dass jede Müdigkeit an der Startlinie verfliegt.
So stehen wir nun hier, ich treffe mehr als ein Dutzend bekannter Läufer, viele vom Etappenlauf, begrüße Dieter aus Leipzig, der seine Gabi als Verpflegungsposten, Fotoreporterin und Motivationskünstlerin schon strategisch günstig an der Strecke aufgestellt hat.



Die Läuferschar ist heiß und gut gelaunt

Nach dem Startschuss brauche ich etwa 30 Sekunden bis zur Linie, so weit hinten stehe ich. Ein Beweis für mich selbst, dass ich wirklich langsam starten will - und heute halte ich mich an meinen Plan!
Es geht stetig bergauf und ich laufe locker mit, finde mich langsam in den mir passenden Teil des Feldes ein, werde selten schneller als 4:50 min/km. Das ist relativ betrachtet, im Feld dieser 2600 Läufer, schon sehr zügig und so liege ich bei km 18 (erste Zwischenzeitnahme) etwa auf Platz 45. Den Gipfel des Inselsberges erreiche ich nach 2:04 Std., bin dabei recht viel im schnellen Schritt gegangen und fühle mich stark. Mittlerweile laufe ich mit Leuten in einer Gruppe, welche eine Zielzeit von 6:00 Std. anstreben, für mich ein klares Warnsignal!
Allerdings fühle ich mich gut, esse etwa alle 10 km ein Gel und etwas seltener noch eine Salztablette, da ich trotz der kühlen 8 Grad und nur einem leichten Shirt natürlich schwitze. Ganz allgemein kann das Wetter heute aber nur als "o-p-t-i-m-a-l" bezeichnet werden, kühl und trocken.
Das Stück bis zum Sperrhügel (ca. km 43) lasse ich es gemäß Renntaktik (oh je) einfach laufen, mache hier im Schnitt eine Pace von 4:30 min/km und erreiche km 37 auf Platz 29 liegend. Am Sperrhügel heisst es wieder "schnell hoch gehen" und auch danach muss ich einige Berge gehen und verliere immer mal wieder etwas Zeit. Hier hole ich Micha Tümmler ein, mein eigentliches Ziel seit mehreren Stunden. Wir wollten ungefähr zusammen laufen, aber Micha ließ sich zu Beginn mitziehen. Er war zu schnell gestartet, das passiert fast allen Ambitionierten hier. Ich frage ihn, ob er etwas Salz haben möchte, dann schlappe ich weiter.
Zwischenzeitlich liege ich bei km 54 auf Platz 26, wir Supermarathonis sind jetzt teils von Wanderern umgeben, welche eine sehr angenehme Abwechslung bieten. Teilweise fliegen ein paar schnelle Gespräche hin und her. Mit meinem Körper bin ich zufrieden, merke aber, dass ich das schnelle Bergauf-Schreiten nicht trainiere, hier beginnt es zu zwicken. Alles in allem aber bin ich Herr der Dinge, krauche noch nicht auf allen Vieren, rechne sogar schon meine Zielzeit aus und komme in einem Anflug grenzenloser Überheblichkeit nicht umhin (ganz kurz, nur aufflackernd und schnell wieder verschwindend), eine "5" statt einer "6" dort stehen zu sehen.
Irgendwann auf dem Weg zum Beerberg bei km 60 laufe ich auf einen Inder auf, der überraschend wechselhaft läuft. Mal lässt er mich stehen, mal ziehe ich vorbei. Irgendwann laufen wir zusammen. Er erzählt mir, dass er während des ersten Drittels direkt mit Christian Seiler, dem späteren Sieger, mitlief! Dann hat er sich irgendwie verkühlt und will nun das Beste draus machen. Obwohl es keiner direkt sagt, wollen wir beide jetzt das Gleiche: In unter 6 Stunden in Schmiedefeld sein!

Sieger Seiler (links) und Dritter Stork unterwegs


Der Aufstieg zum Beerberg schlaucht mich sehr und ich werde mehrfach überholt, u.a. von dem AK-Sieger der Harzquerung, welcher dort den Gesamtplatz 2 belegte und ein paar Minuten schneller war als ich. Wir quatschen kurz, er will mich mitziehen, aber ich brauch die Laufpause jetzt.
nach dem Verlassen des Beerberg-Hochplateaus liege ich bei km 64 auf Platz 29 und jetzt heißt es bis ins Ziel nur noch: Feuer frei! Bis Schmiedefeld sind es noch 10 km, dabei verlieren wir 250 Höhenmeter, es ist also eine richtige Rennstrecke für all jene, welche hier noch Kräfte haben. Und heute gehöre ich dazu! Auf den letzten km laufen wir häufig unter 4:00er Pace, fliegen an den Wanderern vorbei, welche klatschen und Mut zusprechen - was für ein herrliches Gefühl!
Zu meiner Überraschung zeigt die GPS-Uhr bereits fernab des Zieles über 71 km an und nur noch 6 Minuten bis zur 6-Stunden-Grenze. Angekommen in Schmiedefeld, habe ich mich mit dem Gedanken arrangiert, dass die 6-Stunden-Marke heute nicht geknackt wird, leichte Enttäuschung will aufkommen (was für ein Quatsch!) aber alle Gedanken weichen beim Einbiegen in die Zielgerade. Der Sprecher ruft meinen Namen, ich gebe Vollgas, klatschende Menschen - es ist wunderschön.

Im Ziel, nur ein wenig enttäuscht

Es fehlen ganze 11 Sekunden zu einer 5-Stunden-Zeit, aber die Strecke ist auch deutlich länger als 72,7 km. Ich gehe "Pi mal Daumen" von 74,5 aus. Bin überzeugt, dass diese fehlenden Sekunden ein wichtiges Zeichen für mich sind.
So, es ist vollbracht! Mein rechtes Knie hat zwar gerade einen Urlaubsantrag eingereicht, aber mit der Anmeldebestätigung für den Supermarathon 2013 in der Hand lehne ich diesen lässig ab.
Ja, das werde ich wieder machen!!





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