Montag, 22. August 2011

Bericht vom Müritzlauf am 20.08.2011

Kurzinfo:
mein erster, richtiger Ultramarathon über ca. 75 flache km rund um den Müritzsee, meine Zeit: 6:41h
Streckeninfos hier

Bericht:
Für so eine Ultra-Aktion sollte man schon mal ein ganzes Wochenende einplanen und das tat ich auch. Die Sache klang von Anfang an sehr sympathisch, ungefähr so: Komm an die Müritz, nimm dir ein Hotel oder bleib für 10€ in der Turnhalle, bleib eine oder zwei Nächte, mach dir keine Sorgen wegen des Frühstücks....
Also war die Sache ganz klar, ich packe den Rucksack für zwei Übernachtungen und düse am Freitagnachmittag die ca. 430 km per Bahn nach Waren/Müritz.
Unmittelbar in Bahnhofsnähe gibt es die Startnummern, auch werden wir sogar von den Org-Leuten in die etwas weiter entfernte Turnhalle gefahren - was für'n Luxus! Es herrschen beste Bedingungen, um Urlaubsstimmung zu erzeugen: Angenehme Temperaturen, Möwengeschrei, nette Leute, das Flair am Binnenhafen... Dazu kommt noch die innere Vorfreude auf das völlig Unbekannte. Nie rannte ich mehr als 50 km, morgen sollen es gleich mal 75 km werden! Aber ich setze mich keinem Druck aus, notfalls werde ich morgen eben zum Walker (das spart ja auch Schweiß ;-) und hab dann trotzdem ne schöne Zeit.
In der Turnhalle werden wir von einer Handvoll zuvor kommender Damen begrüßt, welche hier ein Auge auf usn und unser Gepäck werfen und immer für ein paar freundliche Sätze zur Stelle sind. Es wird sofort selbst gebackener Kuchen und Kaffee angeboten. Insgesamt werden wir bis zum Abend etwa 20 Ultraübernachter, jeder kann sich eine Turnmatte als Unterlage nehmen hat genügend Raum zur Entfaltung des Schlafsacks etc., wirklich toll. In Badelatschen gehe ich nochmal um die Ecke und besorge ein wenig Zaubertrank (schwarz mit blonder Seele) - sicher ist sicher! :-) Wir gehen früh zu Bett, viertel 7 soll es Frühstück geben, um 8 ist Start. Die Damen sind so rührig und herzlich, das Frühstück wurde extra für uns vorbereitet - wie bei Muttern!

Zum Lauf: Wir starten direkt am Hafen in Waren. Mein einziges Ziel ist das gesunde Ankommen, also gehe ich die Sache auch entspannt an - ca. 5:00-Pace. Wir laufen auf festen Wegen, anfangs viel Wald und auch Sümpfe, wir sind im Müritz-Nationalpark!


Tja, wer hätte es gedacht, das Land ist weit und flach. Schwierig für den Kopf. Aber durch die gelegentlich durchlaufenen Ortschaften kommt etwas Abwechslung hinzu, auch gibt es ausreichend viele V-Punkte. Von der Bevölkerung werden wir kaum wahr genommen.
Bis etwa km 36 halte ich mehr oder weniger die 5:00-Pace, danach will ich auf Nummer sicher gehen und baue alle 25 Laufminuten ca. 5 Gehminuten ein. Im Nachhinein betrachtet Schwachsinn, da es den Rhythmus stört, wenig bis gar nichts bringt und viel Zeit kostet. Während einer solchen Gehpause werde ich von der führenden Frau, Imke, ungefähr bei km 50 überholt. Diese Tatsache, in Verbindung mit der Einsicht, dass Gehpausen für die Beine nichts bringen, versetzt mich wieder in Schwung! Ich hänge mich an Imke und ihren Begleiter, bin beeindruckt von ihrem konstanten, zähen Laufstil. Bis zum Ziel werden wir jetzt zusammen bleiben (wo ich natürlich keinen Angriff mehr starte, bin ihr fürs Pacing viel zu dankbar).
Mittlerweile laufe ich in einem Bereich, der neu ist: jenseits der 50-km-Grenze. Falle ich spontan irgendwann um? Breche in Krämpfe aus? Dehydriere? Nein, es ist einfach ein laaanger Marathon, der alle Höhen und Tiefen eines normalen Marathons noch etwas verstärkt. Mehr Schmerz, mehr Euphorie, mehr Durst, mehr verrückte Ideen im Kopf. Eine Liedzeile, welche ich vorher nie wahr genommen hatte, muss ich jetzt hunderte Male vor mir hersingen: "There's something in the water, something in the water, that makes me love you like I do..." (Brooke Fraser). Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Das muss ich erwähnen, da dieser Refrain  mich für Stunden gepackt hielt, aber ich kann es nur so im Raum stehen lassen...
Nachdem ich Imkes Rhythmus aufnahm und neue Kraft für die letzten 20 km spürte, kam ein ungeheuerlicher Endorphindrang in mir auf. JA, ich wollte dieses Ding umrunden! JA, ich kann das schaffen!
Im Ziel galt dann alle Aufmerksamkeit dem holländischen Sieger Lantink, der die 75km-Runde in irren 5:02h geschafft hatte und sich auf den Spartathlon vorbereitete.


Im Ziel mit der strahlenden Siegerin der Frauen, Imke Constien, die mich ein gutes Stück des Laufes mitzog und inspirierte:

(alle Fotos vom Veranstalter)

Mit der Zielzeit von 6:41h stehe ich auf Rang 51 der bisher 426 Müritzumrunder. Ich finde, das ist eine geile Leistung für das erste Mal. Die Beine sind natürlich ziemlich fertig, aber wen interessiert das schon? Ich wackel zu unserer Turnhalle, genieße die warme Dusche und dazu ein Bierchen. 
Als ich danach noch ganz allein die tapferen Zieleinläufe der langsameren Läufer gemütlich beobachte und beklatsche, realisiere ich erst nach und nach, was heute passiert ist. Alles Erlebte, Gesehene, Gefühlte bäumt sich noch einmal in mir auf und es fließen ein paar stille Freudentränen.
Am Abend gehe ich mit zwei anderen Läufern am Hafen in ein Fischrestaurant, dann auf in die zweite Nacht in der Turnhalle. Dieser Urlaub hat sich gelohnt!
Insgesamt ein gut organisierter Lauf, insbesondere die Turnhallenoption ist empfehlenswert. An der Strecke braucht man einen langen Atem, da teils nicht viel los ist. Auch für Leistungsorientierte wegen des flachen Profils ein interessanter Lauf. Hier komm ich noch mal her, wenn auch wahrscheinlich nicht gleich im nächsten Jahr.