Mittwoch, 7. Dezember 2011

Rückblick 2011

Hey prima, als ich mich vom Untertagemarathon (siehe unten) mit Grausen abwandte, konnte ich einen kurzen Blick auf das zurückliegende Laufjahr werfen. Sah verdammt gut aus, ehrlich. Sah wie eine Entwicklung aus. Schauen wir mal etwas genauer hin.

Wettkämpfe:
Für so einen Hobbyläufer aus der zweiten Reihe war es ein verhältnismäßig intensives Wettkampfjahr. Insgesamt kam ich auf ca. 600 Wettkampf-km, welche sich wie folgt aufschlüsseln:2x Kurzstrecke, 6x Halbmarathon, 7x Marathon, 2x Ultradistanz.
Dabei vermied ich über das Jahr die typische, auf ein Ziel fixierte, Leistungskurve, sondern nahm (manchmal spontan) alle paar Wochen einen Wettkampf ins Visier und wechselte dabei beliebig zwischen den Distanzen. Dabei traten drei völlig verrückte Ereignisse ein, die ich Mitte 2010 noch für unmöglich hielt:
1. Ich lief den Marathon in weniger als drei Stunden (Gera, August).
2. Ich lief einen 75-km-Ultra (Waren/Müritz, August).
3. Ich gewann einen Marathon (Saale-Rennsteig, September)
Dieses drei Dinge "passierten" mir auch noch binnen sechs Wochen - unglaublich, oder?!

Training:
Ich wollte und konnte eine deutliche Steigerung, primär des Trainings-km-Umfangs, erreichen. Es stehen nun ca. 2800 reine Trainingskilometer zu Buche, das sind etwa 250% meiner Vorjahresleistung. Ich verfolge keinen Trainingsplan, sondern vertraue auf die ganz natürlich auftretende Varianz im Training, wenn ich die Laufstrecke ändere. Ich suche ständig neue Pfade und es vergehen meist Monate, bis ich eine Strecke zum zweiten Mal laufe (glücklicherweise bin ich eine Orientierungsniete und allein dadurch kommen schon sonderbare Laufstrecken zustande). Das Laufen folgt einfach der Lust und Laune des Tages und ähnelt ansonsten einem Flirt: Wenn es sich gut anfühlt, mach einfach immer weiter!

Ausrüstung:
Ich überlebte das Jahr, ohne mir Schuhe gekauft zu haben - Wahnsinn, oder? Genau genommen hatte ich mir auch schon 2010 keine Schuhe gekauft (außer die FiveFingers). Klar, einen Schönheitspreis werden meine alten Sauconys bzw. meine Lunge C-Dur nicht gewinnen, da alles langsam aus dem Leim geht. Was die mangelnde Dämpfung dieser "Oldies" angeht (was also quasi meine Laufgesundheit betrifft), so vertraue ich auf meinen Vorderfußlaufstil und vermeide weitestgehend ein Aufkommen mit der Ferse voran. Gespannt verfolge ich die Diskussionen um das Barfußlaufen, "natural running" usw.
Größte Investition des Jahres war der Garmin Forerunner 305, mittlerweile auch ein Oldie, aber für meine Zwecke ein echtes Preis/Leistungs-Juwel. Die GPS-Aufzeichnung der Strecken motiviert mich, die Pulsmessung ist amüsant und informativ und außerdem hatte ich ja seit der fünften Klasse keine Uhr mehr :-)
Noch ein Preis/Leistungs-Hammer war der 19€-Laufrucksack. Für Leute, die gerne mal 30-km-Runden oder länger laufen, sehr empfehlenswert. Den ausführlichen Test habe ich ja bereits geschrieben.

Was gab's sonst noch?
Seit Anfang Juli bin stolzes Mitglied des GutMuths-Rennsteiglaufvereins; primär, um die Arbeit der Rennsteiglauforganisatoren zu würdigen und diesen Laufklassiker zu erhalten. Aber auch ganz eigennützig, um vergünstigt am Rennsteiglauf (und auch z.B. am Rennsteig-Etappenlauf) teilnehmen zu können.

Darüber hinaus unterstütze ich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten (Flyer verteilen, Werbe-Laufshirt, Mund-zu-Mund-Propaganda) den Skatstadt-Marathon in Altenburg, da es die Organisatoren dieser Laufveranstaltung immer wieder schaffen, absolute Partystimmung in meiner alten Heimat zu verbreiten und insbesondere tausende Schüler teilnehmen (mir persönlich ein sehr wichtiger Punkt).
Das Laufen hat sich im Jahr 2011 als ein fester Bestandteil in meinem Leben etabliert. So viele schöne und unschöne, euphorisierende und niederschmetternde, lustige und schmerzhafte Erlebnisse durfte ich mit interessanten Menschen teilen, die alle unauslöschlich Teil meiner ganz persönlichen Laufgeschichte wurden.
Aber 2011 war auch mein erstes Jahr als Vegetarier. Dies ist übrigens ein weit weniger bedeutender oder einschneidender Vorgang im Leben als oft vermutet wird. Man beschäftigt sich nur intensiver mit Kochrezepten oder allgemein mit dem, was auf den Teller kommt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Mensch grundsätzlich ein Allesfresser sein KANN (also so wie Schweine, die ich - lebendig! - sehr mag). Aber wir haben die verdammte Pflicht als Menschen, mit unserem Verstand zu erwägen, was wir essen DÜRFEN. Wir nutzen damit dem Tier (das nicht vor und während seines Todes gequält wird), wir nutzen damit der Umwelt (25% der Landfläche + 80% der Energieerzeugung weltweit dient Tierfuttererzeugung) und wir nutzen uns selbst (Vermeidung tierischer Fette, antibiotischer Futterzugaben, etc.). Wer über den ganzen Wahnsinn hinter unserem Fleischkonsum etwas in Erfahrung bringen will, braucht nur zu googeln. Und ja, ich weiß, Vegetarier zu sein heißt noch immer, Tierleid zu verursachen (z.B. Eierproduktion). Aber jeder Schritt weg vom Fleisch ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Auf das Laufen hat es jedenfalls keine negative Auswirkung. Im Gegenteil führt die automatisch intensivere Beschäftigung mit der eigenen Ernährung auch zu deren Verbeserung. Viele Weltklasseläufer sind Vegetarier/Veganer, z.B. Scott Jurek oder Michael Wardian.

Samstag, 3. Dezember 2011

Bericht vom Untertage-Marathon Sondershausen am 3.12.2011

Kurzinfo: Marathonlauf auf acht Runden a 5,27 km im Salzbergwerk. Je Runde warten ca. 110 Höhenmeter. Meine Zeit ist 3:57 h, damit Platz 26 (6. der AK30).

Bericht: Hach, es ist eigentlich Blödsinn. Warum sollte man lange nach Saisonende, kurz vor dem zweiten Advent, in den 700 Meter tiefen Schacht eines Salzbergwerkes fahren, um dort bei bis zu 37 Grad einen teils sehr steilen, dunklen und trockenen Tunnel entlang zu laufen?! UND DAS ACHT MAL HINTEREINANDER?!
Ganz einfach: Weil dieser verdammte Tunnel nun mal da ist und es eine Menge Spaß verspricht!
Aber der Reihe nach. Die Organisatoren können aus Gründen der Logisitk und der Sicherheit nur 400 Läufer bei diesem Rennen zulassen, es gibt eine Warteliste. Als ich mich vor drei Monaten für diesen Lauf entschied, landete ich auch erst auf der Warteliste, aber bereits nach wenigen Wochen war ich aufgerutscht und meine Anmeldung wurde angenommen.
Der Spaß kostet wegen des logistischen Aufwandes 55 EUR, das ist etwas zu viel, um die Veranstaltung als reinen Gaudi abzutun.
Da die Planung für 2012 langsam konkret wird (Vorschau kommt später), liegt meine 14-tägige Saisonpause 2011/2012 nun bereits hinter mir - unmittelbar hinter mir.
Meine Vorbereitung für "diese wohl härteste Marathonstrecke" (laut Veranstalter sc-impuls Erfurt) ist mehr als dürftig, trotzdem will ich einen Saisonauftakt nach Maß und einen echten Test. Den sollte ich auch wirklich bekommen.
Anreise, Registratur, Umziehen klappt alles wie am Schnürchen, ich war ja im Februar zum "Halben" schon mal hier. Heute sind es viel mehr Leute, die unterschiedlichsten Dialekte sind zu hören und auch das europäische Ausland ist vertreten. Eine Stunde vor Laufstart, also kurz vor 9 Uhr, bin ich unter Tage, ziehe mich um und denke mir eine Renntaktik aus.
Jeder technikbegeisterte Läufer (und was meinen Forerunner angeht, bin ich das) muss hier unten auf den lieb gewonnen Rythmus der GPS-Uhren verzichten und seine Pace nach Gefühl finden. Oder eben mittels Herzfrequenzmesser, das versuche ich mal. Mein Ziel ist, nie über 80% der HF_max hinaus zu steigern, und daran halte ich mich auch ganz überwiegend. Auf ein Zeitziel verzichte ich, liebäugle aber mit den 3:30.
An der Startlinie, wenige Sekunden vor dem Countdown, zeigt die Uhr 64 Schläge pro Minute, trotz "höllisch" guter Atmosphäre - das sieht doch gut aus. Neben mir erscheinen bunt flackernde, menschliche Weihnachtsbäume. Sogar einen weiblichen Engel mit Flügeln sieht man am Start. Die salzkristallenen Wände werfen den donnernden Countdown aus den 400 Hälsen zurück - START!
Runde 1 von 8 absolviere ich mit gut 12 km/h, der Wärmestau am Kopf (es herrscht Helmpflicht) macht das Ganze zwar nicht leichter, aber mit entsprechender Getränkeaufnahme sollte das kein Problem sein.
Doch irgendetwas stimmt nicht hier unten, ich werde bis einschließlich Runde 5/8 jede Runde 20 Sekunden langsamer, und zwar erschreckend konstant! Die Rundenzeiten soweit:
1. 26:11
2. 26:29 (+18)
3. 26:50 (+21)
4. 27:13 (+23)
5. 27:34 (+21)
Und gegen Ende der Fünften passiert es: der erste Krampf! Ich bin darüber etwas erschrocken, habe meine (ohnehin geringen) Berglaufqualitäten scheinbar rapide eingebüßt während der zurück liegenden, faulen Wochen..
Da ich heute keine Lust habe, mich zu quälen (übrigens im Gegensatz zum Großteil der Untertage-Enthusiasten), freue ich mich bereits auf eine Dusche ganz für mich allein und eine pünktliche Abreise, sch* doch auf die verbleibenden 16 Kilometer!
Also los, ich dehne mich kurz im Dunklen und trabe dann locker weiter - hmm, es geht ja wieder. Dann wird eben die Sechste meine letzte Runde. Das Feld der harten, erfahrenen Marathonhelden hat sich inzwischen ins Unkenntliche aufgelöst.
Erste Flüche hallen durch die Tunnel, Gehende mit hängenden Köpfen trifft man nun häufiger. Der Untergrund wird glitschiger, ganz langsam erschweren sich hier unten die Bedingungen. Ich muss an den Frosch denken, der -in heißes Wasser geworfen- sofort die Flucht ergreift; der aber bei langsamem Erwärmen seiner Umgebung seelenruhig verbrennt. Die Luft wird scheinbar immer wärmer, Schweiß läuft unter dem Helm hervor, die salzige Haut hinab, tropft auf den Boden.
Der häufige Wechsel zwischen völliger Dunkelheit und grellem Kunstlicht blendet die Augen und nervt das Gehirn. Die unebene, harte und kaum erkennbare Bodenstruktur macht ein sanftes Aufsetzen fast unmöglich, viele harte Aufschläge sind die Folge. In jeder Runde überraschen einen neue Berge, die vorher nicht da waren. Durchatmen.
In Runde sechs wieder Krämpfe, diesmal eher als in Runde fünf und in beiden Beinen. Na Klasse! (hey, die Dusche ruft!)
Allerdings lässt selbst die bescheidene Rundenzeit von mehr als einer halben Stunde am Ende von Runde sechs noch eine Gesamtzeit von unter vier Stunden realistisch erscheinen. Das ist alles, was ich jetzt noch will (aber kaum noch KANN).
Über die verbleibenden zwei Runden möchte ich nicht wirklich schreiben, es ist unwürdig. Meine Bewegungen sind so geschmeidig wie eine Nilpferd beim Purzelbaum, alle halbe Kilometer Krämpfe, Hitze, Durst, Salz überall, der Körper sagt S-T-O-P!

Hierzu ein schönes Zitat von Friedrich Hebbel: "Dass die Schmerzen miteinander abwechseln, macht das Leben erträglich." - Ja, dadurch, dass es mal rechts und mal links zuerst verkrampft, kann man den Schwerpunkt immer anders verlagern und sich wieder 100 m weiter schleppen.. - kluger Mann!

Bleibe letztlich mit 3:57h unter der 4-h-Marke, hatte meinen "Test", weiß wieder, wo ich wirklich stehe..
Insgesamt ist es natürlich ein geiler Lauf ihr Freaks! Aber ich bin fertig mit der Untertage-Nummer, für immer.