Warum das alles?

Dieser Blog ist Teil eines persönlichen Lauftagebuchs, Testlabor für den wenigen Technik-Schnickschnack, den ich bereit bin zu verwenden und er enthält Berichte und Fotos einiger meiner Läufe. In diesem Blog und meinem Laufleben steckt kein Cent fremden Geldes, also das heisst: Meine Berichte sind so subjektiv wie ich selbst und kein Schuh-, Klamotten- oder Pulsuhrhersteller hat hier etwas zu melden. Es gibt genug offen oder versteckt kommerziell arbeitende Blogs, verfälschte Rezensionen und so weiter..

Es gibt natürlich viele schlaue Bücher zum Thema Laufen, ein paar empfehle ich im Text. Das hier sind meine ganz privaten Ansichten, ich mach mir nicht die Mühe, alles mit Quellen zu hinterlegen und wissenschaftlich exakt zu schreiben, dafür kannst du ja die Bücher lesen. Das hier entsteht einfach spontan aus meinem Bauch raus.
Also gut, wo fangen wir an?

Warum das Laufen?
(Es ist eigentlich lächerlich, den Grund für das Laufen zu thematisieren und man muss ein paar Millionen Jahre weit ausholen.)
Laufen ist für den Menschen im Allgemeinen so ungefähr die körperliche Entsprechung zu verschiedenen geistigen Fähigkeiten, wie dem logischen Denken oder der Phantasie. Es ist ein Werkzeug zur Erhaltung der Art, ein Mittel zum Zweck (Jagen und Sammeln liefert Nahrung). Jedenfalls war es das. In Europa muss heute kein Mensch mehr weit laufen, um Nahrung zu besorgen. Was das angeht, sind wir uns der Überlegenheit unseres Lebensstils sehr bewusst, wir sind nämlich im Moment ziemlich wohlhabend. 
Wenn wir aber in den Spiegel schauen, sehen wir das Endprodukt eines viele Millionen Jahre andauernden Evolutionsprozesses, welcher nicht erst mit unseren urgroßväterlichen Amphibien begann, welche das Meer verließen, um halbtags ihr Glück an Land zu versuchen. In ihrer "unwiderstehlichen" Art der Auslöschung aller Anpassungs- und Durchsetzungssschwachen hat die Evolution vor einer Million Jahren ein Säugetier zugelassen, welches körperlich schwach und langsam, dazu kälte- und hitzeempfindlich war. In allen Disziplinen, mit deren Hilfe die Evolution normalerweise mit tödlicher Präzision die expandierenden von den aussterbenden Arten trennt, war dieses Säugetier vielen direkten Konkurrenten unterlegen. Außer in zweien: Dem Langstreckenlauf und der kreativen Teamarbeit. Niemand war so zu Ausdauerleistung befähigt wie dieses Säugetier: sein Lungenvolumen war überdurchschnittlich, sein Herz groß und kräftig, es konnte schwitzen und somit als einziges Säugetier seine Temperatur regulieren, seine Achillessehne unterschied sich vom Fersenstrang der anderen Tiere, seine Zehen konnten nicht mehr greifen, waren dafür aber besser für eine Vorwärtsbewegung geeignet und das Tier ging aufrecht, diese vertikale Körperachse erlaubte ein großes und schweres Gehirn. Wir modernen Menschen sind nichts weiter als genau dieses Säugetier. Dazu ist das Buch "Laufen" von Bernd Heinrich sehr empfehlenswert, na und sowieso auch "Born to run" von McDoughall.
Also, ganz gleich, welchem Lebensstil wir uns in unseren lächerlich kurzen Lebensspannen unterwerfen, die biologische Nische, welche uns eine Million Jahre lang das Überleben gesichert hat und uns genetisch formte, ist die koordinierte Langstreckenjagd. Wir haben überlebt, weil wir ausdauernder waren als ein Hirsch, ein Wildpferd oder eine Antilope. Pfeil und Bogen wurden vor ca. 40.000 Jahren erstmals eingesetzt, was haben wir wohl die 960.000 Jahre vorher getan? Oder von unserer aufrecht gehenden Australopithecus-Dame "Lucy" aus gerechnet, wie haben wir wohl unsere scharfen Eckzähne 3.160.000 Jahre lang vor Erfindung irgendwelcher effektiver Fernwaffen gefüttert? Die Nennung dieser unvorstellbaren Zeiträume, in denen wir nichts besaßen als eine sich stetig verbessernde Spezialisierung in unserer Nische, soll nur verdeutlichen, wie irrelevant sämtliche zivilisatorischen Entwicklungen der vergangenen paar hundert Jahre sind.
Wir sind die Läufer. Darum laufe ich.

Warum Langstreckenlauf?
In der Schule mochte ich die Kurzstrecke, war ein guter 100m-Sprinter, Hoch- u. Weitspringer. Die 3000m-Läufe aber waren mir ein Grauen. Man war wegen des Lehrplanes gezwungen, auf unangenehme Art und Weise an seine körperliche Grenze zu gehen. Gegen die Mitschüler und gegen die langweilige 400m-Tartanbahn. Meine zehn Jahre Fußballspiel passten gut zu den Kurzstreckenfähigkeiten, erst ein Ortswechsel brach eine sportliche Lücke auf, in die sich das unregelmäßige 3km-Joggen hinein schlich (im wahrsten Sinne). Was für eine öde Schinderei, in einem Park, in dem normale Menschen auf der Decke liegen und knutschen, zwei oder drei Runden mit knallrotem Kopf und schmerzenden Knien zu drehen. Hätte es nicht die ein oder andere erfreuliche Begegnung mit einem Gleichgesinnten gegeben, wäre die Episode "Jogging" sofort wieder in einer der hinteren Schubladen verschwunden. Dann war da auch noch ein kleiner Abstecher in die Welt des Boxens, ein interessantes Jahr. Nachhaltig beeindruckend war die Vielseitigkeit des Boxtrainings, es ging um Schnellkraft in den Armen und Beinen, aber auch um Ausdauervermögen, Schmerzüberwindung und Rhythmusgefühl. Die Wald- und Treppenläufe blieben in wunderbarer Erinnerung, nicht zuletzt, weil man einfach mitziehen musste und nicht nach 5km aussteigen konnte. Nach dem Boxen war eine Mauer durchbrochen, plötzlich waren Läufe von bis zu 15km denkbar! Auch wenn ich mich nicht dazu berufen fühlte, so etwas zu tun, war da etwas passiert. Ein junger Mann wählt wahrscheinlich seine Vorbilder lieber aus einer Reihe muskelbepackter, grimmig schauender Gestalten als aus den ausgemergelten, schmalschultrigen Helden des Langstreckenlaufs. Aber wenn die Faustkämpfer schon so gute Läufer waren, dann schaff ich das auch! Der Funke am Pulverfass war Ende 2006 die beiläufige Bemerkung eines Kollegen, nächstes Jahr wieder am Rennsteig-Halbmarathon teilzunehmen zu wollen. Was?! Dieser große und schwere Kerl? Einen halben Marathon in den Bergen will der laufen?? Nu pagadi, das Feuer war entfacht!! 
Fünf Monate später fand mein erster offizieller Lauf statt, ein mal um die Bleilochtalsperre (22km), danach der Rennsteig-Halbmarathon mit 7000 anderen Säugetieren. 
Von jetzt an führte kein Weg mehr zurück. Obwohl, biologisch betrachtet ging es doch "back to the roots", oder?

Warum Marathon?
Unmittelbar nach den paar Halbmarathons bestand mein Körper nur aus Schmerz und Erschöpfung. An ein Weiterlaufen nach neuen Horizonten war nicht zu denken. Gleichzeitig konnte der Kopf seinen Stolz auf die Leistung nicht hundertprozentig auskosten. Da waren zu viele Menschen auf "meiner" 21-km-Strecke unterwegs, mit denen ich nichts gemein hatte. Leute, die in meinen Augen nicht mal richtige Sportler waren. Sport sollte immer mehr bedeuten als nur ein bisschen "körperliche Arbeit in der Freizeit", um die anschließende, routinierte Riesenbelohnung zu rechtfertigen. Sportlichkeit ist eine Lebenseinstellung. Sport war doch mehr als nur das regelmäßige, lauwarme "Abhaken" läuferischer Prestigeereignisse . "Mein Sport" sollte etwas besonderes sein, immer offen für neue, viel versprechende und erträumte Ziele. Um Gemeinschaft zu finden mit den "richtigen Sportlern" muss man eben den "richtigen Sport" betreiben. Den, bei dem halbherziger Einsatz teuer bezahlt wird. Den, der auch den Charakter formt. Den, der dich aus der Masse abhebt. Den Sport, für den unsere amphibischen Freunde den Ozean verlassen haben. Unser Körper war wie gemacht für Marathon. Das Ziel war nun der Rennsteigmarathon im Mai 2008. Das hieß, die wöchentlichen Trainingskilometer mussten auf 50-60 erhöht werden (vor einem Jahr mein Monatspensum), um bereit zu sein für die 43,5 km  - was für ein biblisches Ziel!

Warum Ultramarathon?
<Fortsetzung folgt>