Montag, 16. Juli 2012

Bericht vom Reichenbacher 24-h-Lauf am 14.07.2012

Kurzinfo:
Wechselhaftes 24-h-Debüt, Rennabbruch meinerseits nach 19 Std. mit 150 km auf der Uhr

Bericht:
Es ist Samstagmorgen, 10 Uhr. Der Wetterbericht für die kommenden 24 Stunden klingt gar nicht schlecht: überwiegend trocken mit knapp 20 Grad. Die vergangene Nacht verbrachte ich im Zelt, direkt im Stadion am Wasserturm, wo auch bereits ein paar der 11 Staffeln und 40 Einzelläufer ihre Basislager aufbauten.
Ich fühle mich topfit, seit Tagen kann ich es kaum erwarten, mal wieder die Laufschuhe zu schnüren (war 'ne fast lauffreie Woche).


Das Stadion am Wasserturm in Reichenbach

Wir starten pünktlich und es herrscht eine sehr entspannte Atmosphäre, der Stadionsprecher ist richtig gut drauf. Unser "Auslauf" für die nächsten 24 (nochmal: VIERUNDZWANZIG) Stunden ist ein 1,197 km langer Rundkurs um den Wasserturm inkl. Stadionrunde. Völlig gegen meine Gewohnheiten schlagen wir vernünftigerweise ein Tempo von ca. 5:30 - 7 min/km an, manche beginnen sogar schon gehend!

Um über Sinn oder Unsinn einer solchen Veranstaltung nachzudenken, ist es nun zu spät. Also beschäftigen wir uns miteinander (nette Gespräche), mit den Anwohnern (wir laufen u.a. an den Altglascontainern vorbei, so sieht man hin und wieder auch normale Menschen) und uns selbst (wieviele Runden hab ich? wo steh ich?). Langweilig ist es eigentlich nur mal so nach 2-3 Stunden, nachdem man die meisten Mitläufer hinreichend oft gesehen hat, alle Nummernschilder der am Streckenrand geparkten Autos auswendig kennt, von jeder der leckeren Speisen am Versorgungspunkt mal probiert hat und die idealste Ideallinie der Strecke erkundet hat. Als dann aber regelmäßig Zwischenstände gemeldet werden, kann man sich herrlich ablenken, indem man die Mitläufer ein wenig genauer beobachtet und sich so langsam auch mal dem eigenen Befinden widmet.Mein Plan ist, das Rennen in vier 6-h-Läufe einzuteilen und dabei folgende km zu absolvieren:

1. Abschnitt: 60 km mit 6er Schnitt
2. Abschnitt: 50 km mit 7,2er Schnitt
3. Abschnitt: 40 km mit 9er Schnitt
4. Abschnitt: 30 km mit 12er Schnitt

Dies ergäbe also 180 km. Natürlich fehlen hier sämtliche Pausen und Unwägbarkeiten, aber ich kann doch bereits nach 101 km stolz sein, denn so eine Distanz lief ich noch nie (=Minimalziel)!
Als wirklich glücklich könnte ich mich schätzen, wenn ich den Dreifachmarathon schaffe, also 126 km (realistisches Ziel).
Und gigantisch wären die 100 Meilen (161 km) - na mal sehen!
Außerdem will ich von Anfang an essen, möglichst alle 2 Runden eine Kleinigkeit aus dem reichhaltigen Angebot. Diesen Plan kann ich heute tatsächlich gut in die Tat umsetzen. Nach 6 Stunden liege ich mit 62 km in Führung und fühle mich gut. Planmäßig wechsele ich jetzt von meinen leichten Brooks PureConnect in die "Kampfstiefel" (Lunge C-Dur), um meinem Laufapparat orthopädisch eine maximale Abwechslung bieten zu können und damit einseitigen Belastungen vorzubeugen.

heute mal nicht verlaufen...

Nach 10 Stunden fühle ich mich aber in den Lunge nicht mehr wohl und unterbreche den zweiten 6-h-Abschnitt also (immernoch auf 1 liegend mit 97 km) für eine 15-min-Massage mit anschließender zehnminütiger Essenspause. Der Masseur meint, er kann keine muskulären Probleme bei mir feststellen - das beruhigt doch!

Durch die längere Pause und den stärker werdenden Belgier Dhooge (Sieger 2010 und Favorit heute) rutsche ich zur Halbzeit nach 12 Stunden auf Platz 2 mit 110 km. Doch damit bin ich voll in meinem Plan und dies hier ist für mich ohnehin nur ein Experiment.Leider werden nun die Gehpausen häufiger, ich spüre einen leichten Schmerz im linken Fuß. Zwar liege ich nach 14 Stunden (also um Mitternacht) noch auf Rang 2 mit 121 km, aber ich mache kaum noch Strecke. Kann ich mein Maximalziel von 100 Meilen heute wenigstens erwandern? Es wäre traumhaft!
Als mich jedoch kurz vor 2 Uhr ein Müdigkeitseinbruch in den Campingstuhl zwingt, sinkt mir der Mut. Immerhin liegen bereits 3 Marathons hinter mir...
Nein, irgendwie hab ich immer noch Bock auf diese Veranstaltung hier. Es will einfach keine Resignation aufkommen - mein Ziel ist ja zum Greifen nah! Nur irgendwie hätte sich der Kopf ein kurzes Nickerchen gewünscht, um die Abgrenzung von Samstag zu Sonntag zu realisieren.
Die nächtliche Kälte zwingt mich aber nach 20 min wieder hoch, rein zeitlich hätte ich mir eine Stunde Schlaf locker gönnen können.
Unter stärker werdenden Schmerzen kann ich nun noch einmal "Gas geben" und mit einem Schnitt von 6:30 min/km sogar den Belgier nochmal überholen, der das ganze Rennen scheinbar isoliert und wie in Trance abzuspulen scheint - leicht und beständig läuft er wie eine Maschine zum Sieg.
Gegen 5 Uhr morgens ist dann aber Schluss, aus der selbst verordneten Pause folgt nach längerem Nachdenken der Rennabbruch für mich. Auch wenn ich nach Abgabe des Chips und Entfernen der Startnummer ein paar heimliche Tränen vergieße, so bereue ich diesen Entschluss letztlich nicht. Ich verlasse "die Arena" noch immer auf Rang 2 liegend nach 19 Stunden und exakt 149,9 km (150 m vor der nächsten Rundenzählung - wie doof). Dhooge gewinnt das Rennen souverän mit 213 km.
Mittlerweile habe ich schon mein Außenband im linken Fuß als Verursacher der Schmerzen ausgemacht, es ist leicht angeschwollen. Nun heißt es duschen gehen, 30 min schlafen (mehr geht nicht), dann Beine hoch und die anderen anfeuern, die tapfer ihre Runden ziehen. Viele drehen nach 20 Stunden noch mal richtig auf - Respekt und Glückwunsch an euch!!

Sonnenbrand & Platz 2 der AK, Foto: Steffen Barth

Als Fazit ist vielleicht folgendes festzuhalten:
Der Plan war gut, Kreislauf und Kopf funktionierten fantastisch!
Der Schuhwechsel war unnötig und vielleicht der entscheidende Fehler!
Mein relativ hohes Läufergewicht begünstigt Schäden durch Dauerbelastung trotz geringer Laufntensität.

Jetzt, einen Tag später, bereue ich nur, die Reißleine nicht 1-2 Stunden eher gezogen zu haben. Ich habe zwar gar keinen Muskelkater (ein tolles Gefühl), aber Sprunggelenk und Außenband links sind lädiert. Befund dann am Mittwoch (MRT-Termin)

4 Kommentare:

  1. Trotz Abbruch Gratulation!
    150 km muß man erst mal laufen und wie der Körper auf so eine Dauerbelastung reagiert, weiß man erst, wen man es versucht hat.

    Jörg

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    1. Danke Jörg,
      mal sehen, wie hoch der Preis war..
      die nächsten paar Wochen ist erst mal Ruhe angesagt

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  2. Salve Steff,
    so ein Blog ist schon etwas Schönes.
    Werde dich hier regelmäßig besuchen - ich hoffe, deine fulminanten Läuferbeine sind in Kürze wieder voll einsatzbereit und bescheren somit dem geneigten Leser weitere Erlebnisse von den Asphalt, Teer, Sand, Kieselstein, Tartan und Wurzel gespickten Untergründen dieses Planeten.
    Ciao
    Ing.Mar

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  3. Hey Ingmar,
    niemals vergessen: DU bist der Verrückte von uns beiden, ich lauf doch nur manchmal mit! :-)
    Vielleicht solltest du (natürlich neben deinen Fernsehauftritten) auch mal zur Feder greifen? Einen Fan hättest du auf jeden Fall schon mal

    Viele Grüße nach Berlin
    Steff

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