Samstag, 3. Dezember 2011

Bericht vom Untertage-Marathon Sondershausen am 3.12.2011

Kurzinfo: Marathonlauf auf acht Runden a 5,27 km im Salzbergwerk. Je Runde warten ca. 110 Höhenmeter. Meine Zeit ist 3:57 h, damit Platz 26 (6. der AK30).

Bericht: Hach, es ist eigentlich Blödsinn. Warum sollte man lange nach Saisonende, kurz vor dem zweiten Advent, in den 700 Meter tiefen Schacht eines Salzbergwerkes fahren, um dort bei bis zu 37 Grad einen teils sehr steilen, dunklen und trockenen Tunnel entlang zu laufen?! UND DAS ACHT MAL HINTEREINANDER?!
Ganz einfach: Weil dieser verdammte Tunnel nun mal da ist und es eine Menge Spaß verspricht!
Aber der Reihe nach. Die Organisatoren können aus Gründen der Logisitk und der Sicherheit nur 400 Läufer bei diesem Rennen zulassen, es gibt eine Warteliste. Als ich mich vor drei Monaten für diesen Lauf entschied, landete ich auch erst auf der Warteliste, aber bereits nach wenigen Wochen war ich aufgerutscht und meine Anmeldung wurde angenommen.
Der Spaß kostet wegen des logistischen Aufwandes 55 EUR, das ist etwas zu viel, um die Veranstaltung als reinen Gaudi abzutun.
Da die Planung für 2012 langsam konkret wird (Vorschau kommt später), liegt meine 14-tägige Saisonpause 2011/2012 nun bereits hinter mir - unmittelbar hinter mir.
Meine Vorbereitung für "diese wohl härteste Marathonstrecke" (laut Veranstalter sc-impuls Erfurt) ist mehr als dürftig, trotzdem will ich einen Saisonauftakt nach Maß und einen echten Test. Den sollte ich auch wirklich bekommen.
Anreise, Registratur, Umziehen klappt alles wie am Schnürchen, ich war ja im Februar zum "Halben" schon mal hier. Heute sind es viel mehr Leute, die unterschiedlichsten Dialekte sind zu hören und auch das europäische Ausland ist vertreten. Eine Stunde vor Laufstart, also kurz vor 9 Uhr, bin ich unter Tage, ziehe mich um und denke mir eine Renntaktik aus.
Jeder technikbegeisterte Läufer (und was meinen Forerunner angeht, bin ich das) muss hier unten auf den lieb gewonnen Rythmus der GPS-Uhren verzichten und seine Pace nach Gefühl finden. Oder eben mittels Herzfrequenzmesser, das versuche ich mal. Mein Ziel ist, nie über 80% der HF_max hinaus zu steigern, und daran halte ich mich auch ganz überwiegend. Auf ein Zeitziel verzichte ich, liebäugle aber mit den 3:30.
An der Startlinie, wenige Sekunden vor dem Countdown, zeigt die Uhr 64 Schläge pro Minute, trotz "höllisch" guter Atmosphäre - das sieht doch gut aus. Neben mir erscheinen bunt flackernde, menschliche Weihnachtsbäume. Sogar einen weiblichen Engel mit Flügeln sieht man am Start. Die salzkristallenen Wände werfen den donnernden Countdown aus den 400 Hälsen zurück - START!
Runde 1 von 8 absolviere ich mit gut 12 km/h, der Wärmestau am Kopf (es herrscht Helmpflicht) macht das Ganze zwar nicht leichter, aber mit entsprechender Getränkeaufnahme sollte das kein Problem sein.
Doch irgendetwas stimmt nicht hier unten, ich werde bis einschließlich Runde 5/8 jede Runde 20 Sekunden langsamer, und zwar erschreckend konstant! Die Rundenzeiten soweit:
1. 26:11
2. 26:29 (+18)
3. 26:50 (+21)
4. 27:13 (+23)
5. 27:34 (+21)
Und gegen Ende der Fünften passiert es: der erste Krampf! Ich bin darüber etwas erschrocken, habe meine (ohnehin geringen) Berglaufqualitäten scheinbar rapide eingebüßt während der zurück liegenden, faulen Wochen..
Da ich heute keine Lust habe, mich zu quälen (übrigens im Gegensatz zum Großteil der Untertage-Enthusiasten), freue ich mich bereits auf eine Dusche ganz für mich allein und eine pünktliche Abreise, sch* doch auf die verbleibenden 16 Kilometer!
Also los, ich dehne mich kurz im Dunklen und trabe dann locker weiter - hmm, es geht ja wieder. Dann wird eben die Sechste meine letzte Runde. Das Feld der harten, erfahrenen Marathonhelden hat sich inzwischen ins Unkenntliche aufgelöst.
Erste Flüche hallen durch die Tunnel, Gehende mit hängenden Köpfen trifft man nun häufiger. Der Untergrund wird glitschiger, ganz langsam erschweren sich hier unten die Bedingungen. Ich muss an den Frosch denken, der -in heißes Wasser geworfen- sofort die Flucht ergreift; der aber bei langsamem Erwärmen seiner Umgebung seelenruhig verbrennt. Die Luft wird scheinbar immer wärmer, Schweiß läuft unter dem Helm hervor, die salzige Haut hinab, tropft auf den Boden.
Der häufige Wechsel zwischen völliger Dunkelheit und grellem Kunstlicht blendet die Augen und nervt das Gehirn. Die unebene, harte und kaum erkennbare Bodenstruktur macht ein sanftes Aufsetzen fast unmöglich, viele harte Aufschläge sind die Folge. In jeder Runde überraschen einen neue Berge, die vorher nicht da waren. Durchatmen.
In Runde sechs wieder Krämpfe, diesmal eher als in Runde fünf und in beiden Beinen. Na Klasse! (hey, die Dusche ruft!)
Allerdings lässt selbst die bescheidene Rundenzeit von mehr als einer halben Stunde am Ende von Runde sechs noch eine Gesamtzeit von unter vier Stunden realistisch erscheinen. Das ist alles, was ich jetzt noch will (aber kaum noch KANN).
Über die verbleibenden zwei Runden möchte ich nicht wirklich schreiben, es ist unwürdig. Meine Bewegungen sind so geschmeidig wie eine Nilpferd beim Purzelbaum, alle halbe Kilometer Krämpfe, Hitze, Durst, Salz überall, der Körper sagt S-T-O-P!

Hierzu ein schönes Zitat von Friedrich Hebbel: "Dass die Schmerzen miteinander abwechseln, macht das Leben erträglich." - Ja, dadurch, dass es mal rechts und mal links zuerst verkrampft, kann man den Schwerpunkt immer anders verlagern und sich wieder 100 m weiter schleppen.. - kluger Mann!

Bleibe letztlich mit 3:57h unter der 4-h-Marke, hatte meinen "Test", weiß wieder, wo ich wirklich stehe..
Insgesamt ist es natürlich ein geiler Lauf ihr Freaks! Aber ich bin fertig mit der Untertage-Nummer, für immer.

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